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Zurück zu Aktuelles >Wallonische Biodiversitätsstrategie: So nicht!


Noch bis zum 2. Oktober liegt die von der wallonischen Umweltministerin geplante Biodiversitätsstrategie 360° zur öffentlichen Untersuchung aus. Der Bauernbund Ostbelgien hat eine Stellungnahme eingereicht – mit dem Fazit: So nicht!

Als Bauernbund Ostbelgien haben wir einleitend Wert auf die Klarstellung gelegt, dass der Verband und seine Mitglieder keineswegs gegen den Schutz von Natur, Umwelt und Biodiversität eingestellt sind, sondern diese Anliegen vorbehaltlos unterstützen. Wir fordern aber, dass die Ziele und Mittel dorthin in Konzertierung, Zusammenarbeit und Partnerschaft mit der Landwirtschaft, den Landwirten und ihren Interessenvertretungen sowie den Landeigentümern ausgearbeitet werden.

Mit der Biodiversitätsstrategie 360° greift die Wallonische Region der von der EU-Kommission ins Spiel gebrachten „Verordnung zur Wiederherstellung der Natur“ vor. Dies ist verfrüht, zumal es zweifelhaft ist, dass dieser Verordnungsvorschlag überhaupt die demokratischen Hürden nehmen wird bzw. auf welche Ziele und Mittel EU-Kommission, -Ministerrat und -Parlament sich in den Trilog-Verhandlungen einigen. Mit ihrer Biodiversitätsstrategie 360° legt Wallonien es darauf an, auf seinem Gebiet Tatsachen zu schaffen. Das lehnen wir kategorisch ab!

Ermächtigungsgesetz

Die Biodiversitätsstrategie 360° wird der Anforderung nach Konzertierung, Zusammenarbeit und Partnerschaft nicht gerecht. Stattdessen bildet ein derartiges Gesetz die Basis für willkürliche Zwangsmaßnahmen bis hin zu einem Freibrief für eine kalte Enteignung. Die Wallonische Regierung bzw. die Umweltministerin wollen sich einen Blankoscheck ausstellen lassen, um unter Umgehung der demokratischen Prozesse Zwangsmaßnahmen durchzusetzen Ein solches Ermächtigungsgesetz lehnen wir kategorisch ab! Denn damit wiederholt man die unsägliche Vorgehensweise bei der Einführung und Umsetzung von Natura 2000: Man trifft Entscheidungen im dunklen Kämmerlein, beschwichtigt, wiegelt ab … und etwas später werden alle Versprechungen verraten.

Im Fall der Biodiversitätsstrategie muss dies nicht unbedingt sehr zeitnah geschehen, sondern die Regierung bzw. die Umweltministerin werden wohl erst einmal Gras über die Sache wachsen lassen, bevor sie die Katze aus dem Sack lassen, frei nach dem ehemaligen EU-Kommissionpräsidenten Jean-Claude Juncker: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Erinnerungen an Natura 2000 werden wach

In diesem Zusammenhang haben wir in unserem Schreiben deshalb an die Versprechungen erinnert, die seinerzeit im Zusammenhang mit der Ausweisung und Bewirtschaftung der Natura-2000-Gebiete gemacht worden sind. Was daraus geworden ist, ist allen Betroffenen noch in bester Erinnerung: Sie wurden vorsätzlich belogen, getäuscht und betrogen.

Als erstes wurde damals versäumt, die Betroffenen von Anfang an einzubeziehen. Stattdessen wurden am Reißbrett hinter dem Rücken der Eigentümer und Bewirtschafter willkürlich und unwiderruflich Flächen als Natura-2000-Gebiete in Karten eingezeichnet. Als die Katze aus dem Sack gelassen wurde, fielen die Betroffenen regelrecht aus allen Wolken. Dass sie von der wallonischen Politik und Verwaltung vor vollendete Tatsachen gestellt wurden, war auch psychologisch eine Katastrophe, wurde doch dadurch das Vertrauen in die Politik nachhaltig erschüttert. Diese Fehler dürfen nicht wiederholt werden!

Blockadeinstrument

Mit der Biodiversitätsstrategie 360° will die Umweltministerin die Basis schaffen, um die späteren Einschränkungen durchzusetzen und zu rechtfertigen. Damit hält Namür ein Instrument in Händen, das dazu geeignet ist, jegliches Projekt wirtschaftlicher Entwicklung willkürlich zu blockieren. Wir befürchten, dass Politik und Verwaltung letztendlich genauso ordnungsrechtlich-diktatorisch vorgehen werden wie seinerzeit, als den Landeigentümern und -bewirtschaftern Natura 2000 und die damit einhergehenden Bewirtschaftungsauflagen aufgezwungen wurden.

Es ist die Rede davon, „die Ökosysteme“ zu erhalten und gegebenenfalls wieder herzustellen. Welche dieser Ökosysteme erhalten bzw. zu 90% (!) wiederhergestellt werden sollen, wird nicht erwähnt. Auch nicht, wie man das „wiedergestellte“ Ökosystem definiert. Wie das Dorf in seinem Zustand von 1930? Wie die Eifel zur Preußenzeit? Wie der Acker nach dem 1. Weltkrieg ?

Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Derzeit sind 26.000 ha des wallonischen Territorium „strikt“ geschützt, im Wesentlichen in Form von Naturschutzgebieten. Das entspricht 1,5% der Gesamtfläche. Es müssen also 60.000 ha zusätzlich „gefunden“ werden, um das in der Strategie vorgeschlagene 5%-Ziel zu erreichen! Und sollte das EU-Ziel Wirklichkeit werden, dann müssten 165 bis 170.000 ha „gefunden“ werden! Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Etwa durch den „strikten“ Schutz der Natura-2000-Gebiete? Denn bisher können diese Gebiete wenn auch unter Auflagen (noch) einigermaßen landwirtschaftlich genutzt werden. Aber wie lange noch?

Es wird aber betont, dass alle Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur für Landeigentümer und -bewirtschafter freiwillig sein sollen. Dies wird unter der Rubrik „Risiken“ aufgeführt. Man warnt also bereits explizit vor dem Risiko, dass sich die gesetzlich verankerten Biodiversitätsziele nicht auf freiwilliger Basis verwirklichen lassen. Wir haben deshalb aus gutem Grund die Befürchtung, dass wie bei Natura 2000 die Flächen, auf denen die Biodiversitätsziele erreicht werden sollen, willkürlich und ohne Zustimmung der Eigentümer und Bewirtschafter von oben herab diktiert werden und Bewirtschaftungsauflagen und Nutzungseinschränkungen auf ordnungsrechtlichem Weg aufgezwungen werden.

„Indikativer“ Wert

Wir wiederholen: Als Bauernbund Ostbelgien können wir die Biodiversitätsstrategie 360° in der vorliegenden Form nur kategorisch ablehnen. Gesprächsbereitschaft kann es erst geben, wenn die Kartographie aller Parzellen vorliegt, die für die Renaturierung und die Unterschutzstellung in Betracht gezogen werden. Außerdem müssen alle Maßnahmen aufgelistet werden, die im Rahmen der „Wiederherstellung der Natur“ umgesetzt werden sollen. Und natürlich muss vorab definiert werden, was ein „wiederhergestelltes“ Ökosystem kennzeichnet – mit anderen Worten: Welchen Zustand strebt man an? Wir hegen den Verdacht, dass diese Informationen nach dem Juncker-Prinzip bewusst zurückgehalten werden.

Das gilt auch für die Verbindungsstrukturen (ökologisches Netz), für das ebenfalls keinerlei Angaben vorliegen, weder zu ihrer Lokalisierung, noch zu ihrer Gestaltung (Auflagen…). Zwar heißt es, dass vorgesehen ist, dass das ökologische Netz nur einen „indikativen“ Wert hat und keinerlei Auflagen nach sich zieht. Aufgrund der Erfahrungen mit Natura 2000 trauen wir dem Braten aber nicht, zumal die Politik sich und der Verwaltung auch hier offensichtlich einen Blankoscheck ausstellen will.

Eifel automatisch im Visier

Wir befürchten, dass der deutschsprachige Raum und speziell die Eifelgemeinden, bei der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie erneut gezielt ins Visier genommen werden. Es muss nämlich davon ausgegangen werden, dass die Wallonische Region vorrangig dort versuchen wird, Lebensräume und Ökosysteme „wiederherzustellen“ und als Schutzgebiete auszuweisen, wo der Zustand noch am besten ist und wo die „Anstrengungen“ für Politik und Verwaltung am geringsten ist. Und das ist in den Eifelgemeinden.